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Der Geburtstagskuchen

Die Sensationslust, die Neugierde, das Streben nach Macht und die Gier nach Geld, all diese Charakterzüge schlummern in uns, sie lassen sich nicht leugnen. Diese Eigenschaften skeptisch zu hinterfragen haben oft schon die Vernunft in uns bezwungen. An und für sich damit auseinanderzusetzen ist nichts Schlechtes, solange es im Rahmen bleibt und nicht ins Unermessliche ausartet.

Das Denken gehört nun einmal zu unseren Hauptaufgaben und jenes Denken sollte man nicht zu sehr beeinflussen. Jeder Mensch findet seinen Weg, früher oder später. Man sollte eine Methode dazu entwickeln, um sich vor so manchen Einflüssen schützen zu können. Das gehört zur persönlichen Entwicklung einfach dazu. Genauso wie sich mit negativen Dingen und Eigenschaften zu beschäftigen.

Es war der 11.04.2000, mein 23. Geburtstag. Ich schlief unbekümmert in meinem Bett, als mir langsam dieser unglaublich süße, schöne nussige Duft eines Kuchens in die Nase stieg. Ich hatte noch nie zuvor – auch nicht danach – einen so perfekten Geruch unter die Nase bekommen. Meine Geschmacksnerven spielten wild und der Speichel rann mir im Mund zusammen. Ich musste aufstehen und in die Küche gehen, nachsehen, was da los war, wer das „verbrochen“ hatte. Ich ignorierte den gerade läutenden Wecker und stand auf. Schnell zog ich mir meinen Trainingsanzug über und sehr wach ging ich in die Küche. Da stand sie bereits, meine Familie. Meine Mutter, mein Papa, meine beiden Schwestern und meine Tante, die einen fetten, einen perfekt dekorierten und vor allem soooo gut riechenden Kuchen in den Händen hielt. „Den habe ich für dich gemacht, selbst gebacken!“, sagte meine Tante. Sie fingen untereinander an, geheim zu tuscheln. Alle hielten sie die Köpfe zusammen, so dass ich sie nicht hören konnte. Ich zog eine Augenbraue hoch, denn sofort wurde mir klar, dass sie nicht wirklich backen konnte. „Ach – wirklich?“ Ich machte gute Miene, umarmte sie heftig und nahm sofort ein Stück davon. Der Kuchen schmeckte so fabelhaft. Er rutschte den Hals hinunter, Stück für Stück. Kaum war er angeschnitten, hatten wir ihn auch schon verzehrt. Das bereute ich später sehr, denn ich hätte gerne noch länger davon genascht. Monatelang fragte ich meine Tante, woher dieser Kuchen kam. Sie beharrte darauf, dass sie ihn selbst gemacht hätte. Auch meine restliche Familie hüllte sich in Schweigen. Ich glaubte ihnen kein Wort. Ich stellte die Vermutung an, er müsste von einem Bäcker aus dem Tal, beziehungsweise aus einer der beiden nächstliegenden Städte. Ich besuchte jeden einzelnen Bäcker aus der Umgebung. Jeden freien Morgen suchte ich ein paar von ihnen auf. Fehlanzeige! Keiner von ihnen hatte auch nur annähernd einen Kuchen im Regal, der dem gleichkam, welchen ich noch in Erinnerung hatte. Auf meine Frage hin, ob sie meine Tante kannten, winkten die meisten von ihnen ab und verneinten meine Frage. Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Ich wusste genau, dass sie sie kennen mussten. Das roch nach einer Verschwörung! 

Als ein Jahr voranschritt und ich den nächsten Geburtstag feierte, kam ich gerade von der Arbeit nach Hause. Und da stand er wieder, dieser unglaubliche Kuchen. Wieder dieses Tuscheln und diese Blicke, die mich verrückt machten. Ich wollte diesem Geheimnis endlich auf die Spur kommen. Meine Freude war riesig. Doch auch dieses Mal konnte ich niemandem das Geheimnis um diesen Kuchen entlocken. Die Wochen darauf versuchte ich herauszufinden, wer in unserer Region privat Kuchen backen konnte. Ich verschwendete sehr viel Zeit, um dem auf den Grund zu gehen. Ich fand zwar überall sehr gute Bäcker und liebe Menschen, aber nichts Vergleichbares wie mein liebstes Geburtstagsgeschenk. Keiner von ihnen backte einen so guten Kuchen wie diesen einen. Ich war enttäuscht bis aufs Letzte. Also stellte ich die Theorie auf, dass der Bäcker wohl ein Freund, den meine Tante nicht vorgestellt hatte, sein musste. Da meine Tante viel herumkam und viele Menschen traf, stellte ich mir damit eine große Herausforderung. Darum beschloss ich, vor dem Eingang meiner Tante eine versteckte Kamera zu positionieren, um sie ein wenig zu observieren. „Ist ja für einen gute Sache!“ – „Ähm ich korrigiere, für einen guten Kuchen.“ Möglicherweise konnte ich so ihren geheimen Freund eruieren und damit den Ursprung dieses wunderbaren Kuchens, der immer am 11.04. auf meinem Tisch stand. Und diese geheimnisvollen Blicke, sie wollten einfach nicht weggehen. Die Jahre schritten erfolglos voran und ich hatte immer noch keine handfesten Beweise für den Ursprung des Kuchens. So erfuhr ich einige andere Geheimnisse meiner Tante, die ich lieber verschwiegen halte. Das Schlimmste war jedoch, den eigentlichen Grund, erfuhr ich damit nicht. Mit dem plötzlichen und erwartenden Tod meiner Tante traf es mich emotional sehr tief, da ich sehr an ihr hing. Zudem schwanden meine Erfolgsaussichten auf den Ursprung des Kuchens ebenfalls nahezu auf null. Mir kam eine zündende Idee. Der Computer startete. Ich begann im Internet nach Hinweisen zu suchen und forstete diverse Back- und Kochforen durch. Nichts. Erfolglos.

Niederschmetternd. Leere. Also schaltete ich den Computer ab und ging in die Küche. Da lag dieses alte Rezeptbuch für Kuchen. Ich blätterte darin. Mir stockte es den Atem. Und da war mein Kuchen, den ich so liebte. Genau das Rezept. Ich schlug die Hände über den Kopf zusammen. Tränen traten mir in die Augen. Ich las die Zutaten. Ich stellte die Rezeptur zusammen und fing an zu backen. Er schmeckte zwar nicht 100%-ig genauso wie der vor fast zwanzig Jahren, aber er war selbst gebacken. Ich vergaß endlich einmal für einen Moment diese alte Geschichte… 

So kam es, dass ich 43 Jahre alt war. Endlich hatte ich den Ursprung des Kuchens gefunden. Nach so vielen Jahren. Um diesen besonderen Kuchen zu bekommen, wandte ich viel Zeit und so viele Gedanken auf. 

„Was für eine Verschwörung!?“ 

 „Was für eine Verschwendung.“ 

 ENDE 

Hi, I’m Kemmer

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